Familienrecht

BGH: Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber ihren Eltern


Der BGH hat über die Voraussetzungen, unter denen der Sozialhilfeträger vom Sohn die Erstattung von Sozialhilfekosten für die im Pflegeheim lebende Mutter verlangen kann, entschieden.

Dabei kam der BGH zu folgendem Ergebnis:
Auch ein in der Kindheit vernachlässigtes Kind muss den Eltern Unterhalt zahlen, sofern kein schuldhaftes Fehlverhalten durch den Elternteil vorliegt.

Die Entscheidung beruht auf folgendem verkürzten Sachverhalt:

Die Klägerin ist Trägerin der öffentlichen Hilfe und nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht der Mutter in die Pflicht, rückwirkenden sowie laufenden Elternunterhalt für die 1935 geborene Mutter zu zahlen.

Seit 2005 befindet sich die Mutter in einem Pflegeheim und erhält seitdem Unterstützung durch die Sozialhilfeträgerin.
Schon während der Kindheit des Beklagten litt sie an einer Psychose mit schizophrenen Symptomen, weshalb sie mehrmals zum stationären Aufenthalt in ein Krankenhaus eingewiesen wurde und infolgedessen die Erziehung des Beklagten vernachlässigt hat. Nach der Trennung und Scheidung von ihrem Ehemann 1973 wurde der Kontakt zu ihrem Sohn stetig weniger, bis er 1977 fast vollständig abbrach.

Gegen die Klage bringt der Beklagte deshalb hervor, dass es eine unbillige Härte darstelle, würde ihn die Klägerin aus übergegangenem Recht zur Zahlung des Elternunterhalts an seine Mutter verpflichten. Zudem moniert der Beklagte die späte Geltendmachung des Anspruchs, die bereits zu einer Verwirkung des Anspruchs geführt haben soll.

Der BGH weist in seiner Entscheidung die Argumente des Beklagten ab und verpflichtet ihn sowohl zur rückwirkenden als auch zukünftigen Zahlung von Elternunterhalt.

Vewirkt wäre der Anspruch nur, wenn die Trägerin der öffentliche Hilfe zur Geltendmachung ihrer Ansprüche etwa ein Jahr hätte verstreichen lassen, obwohl sie Kenntnis davon hatte, dass ihr mögliche Ansprüche gegen den Beklagten zustehen. Bei einer derart langen Zeit hätte sich der Beklagte in der Sicherheit wiegen können, dass er nicht zur Zahlung in Anspruch genommen würde.
Da sich jedoch die Sozialhilfeträgerin kontinuierlich um die Realisierung des auf sie übergegangenen Unterhaltsanspruchs bemüht hat, ist der Anspruch schon wegen der zeitlichen Voraussetzung noch nicht verwirkt.

Ferner führt die psychische Erkrankung der Mutter nicht zu einem schuldhaften Fehlverhalten nach § 1611 BGB und damit nicht zur Übertragung der Unterhaltspflicht des Beklagten auf den Staat. Durch das Gesetz wurde eine familiäre Solidarität festgesetzt, die auch bei einer psychischen Erkrankung eines Elternteils dazu führt, dass Unterhalt geleistet werden muss.
Bei nicht schuldhaftem Fehlverhalten eines Elternteils soll im Grundsatz der Staat nicht für dessen Unterhalt aufkommen müssen, sofern der Unterhaltsverpflichtete leistungsfähig ist. Lediglich bei Sachverhalten, die erkennbar einen Bezug zum Handeln des Staates aufweisen (etwa wenn durch Handeln des Staates die psychische Erkrankung hervorgerufen worden wäre), ist eine Übertragung der Unterhaltspflicht auf den Staat gerechtfertigt.


Diese Entscheidung des BGH vom 15.09.2010, AZ XII ZR 148/09 können Sie unter <link http: www.bundesgerichtshof.de>www.bundesgerichtshof.de nachlesen