Wirtschaftsstrafrecht

Eine Befristung kann auch bei ständigem Vertretungsbedarf gerechtfertigt sein – eine Missbrauchskontrolle ist erforderlich

Der Europäische Gerichtshof hat nach Anfrage des Bundesarbeitsgerichts, ob § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Teilzeitbefristungsgesetz unter Berücksichtigung der europäischen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vereinbar ist und dahingehend anzuwenden und auszulegen ist, dass trotz ständigem Vertretungsbedarfs eine wiederholte Befristung eines Arbeitsvertrages wegen Vertretungsbedarfs als „sachlicher Grund“ gerechtfertigt ist. Obwohl der Vertretungsbedarf ebenso durch den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses gedeckt werden könnte, sich der Arbeitgeber jedoch jeweils eine neue Entscheidung bezüglich der Reaktion auf einen konkreten Arbeitnehmerausfall zu reagieren vorbehält.

Es ging somit um die Auslegung der einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts.

In seiner Entscheidung hat der EuGH klargestellt, dass auch ein ständiger Vertretungsbedarf Befristungen rechtfertigen kann. Hierbei jedoch eine Missbrauchskontrolle unter Berücksichtigung aller in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen befristeten Verträge geboten sein kann.

Hintergrund für diese Anfrage ist, dass die getroffene Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner über befristete Arbeitsverträge, welche durch die Richtlinie 1999/70/EG durchführt wird, unbefristete Arbeitsverträge die Norm sein sollten. Die Mitgliedsstaaten sind daher verpflichtet Maßnahmen zu ergreifen, die Missbräuche durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu vermeiden. Eine dieser Maßnahmen ist hierbei insbesondere die nach § 14 Abs. 1 TzBfG Festlegung „sachlicher Gründe“, wodurch eine Verlängerung der befristeten Arbeitsverträge gerechtfertigt sein kann.

Der EuGH hat nunmehr Befristungen wegen ständigem Vertretungsbedarfs (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG) zwar grundsätzlich gebilligt, denn aus dem Umstand, dass ein Arbeitgeber gezwungen sein mag, mehrfach oder sogar dauerhaft auf befristete Vertragsverhältnisse zur Vertretung zurückzugreifen und dass diese  auch durch die Einstellung von Arbeitnehmern mit unbefristeten Arbeitsverträgen abgedeckt werden könnten folgt zum einen nicht, dass ein sachlicher Grund nicht gegeben ist, noch zum anderen das Vorliegen eines Missbrauchs.

Die Überprüfung bezüglich der Beurteilung, ob die erneute Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist, hat jedoch für jeden Einzelfall gesondert unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Gesamtdauer und der Zahl der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen befristeten Verträge zu erfolgen.

Somit fordert der EuGH eine Missbrauchskontrolle, welche nicht allein auf den letzten befristeten Arbeitsvertrag abstellt, sondern auf alle mit demselben Arbeitgeber abgeschlossenen befristeten Verträge. Dieses stellt insoweit eine Abwendung zum bisherigen Deutschen Befristungsrecht dar, da bisher nur eine Überprüfung nur unter Bezugnahme des letzten befristeten Arbeitsvertrages erfolgte.

EuGH 26.01.2012, C-586/10 („Kücük“)