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Abschreibung von Aktien auf den gesunkenen Börsenkurs

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, erwarb am 23. Mai 2001, dem Streitjahr, Infineon–Aktien zu 44,50 € je Stück. Der Kurs sank bis zum 31. Dezember 2001 auf 22,70 €, bis zur Aufstellung des Jahresabschlusses für 2001 stieg er auf 26 € an. Die Klägerin ordnete die Aktien dem Anlagevermögen zu. In ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2001 nahm sie eine Teilwertabschreibung auf 26 € pro Aktie vor (insgesamt 468 999,80 €).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Teilwertabschreibung mit der Begründung nicht, es fehle der Nachweis einer dauernden Wertminderung. Die Klage gegen den hiernach geänderten Körperschaftsteuerbescheid wies das Finanzgericht (FG) Köln mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1414 veröffentlichtem Urteil vom 21. Juni 2006 13 K 4033/05 ab.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Körperschaftsteuerbescheid 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. September 2005 insoweit zu ermäßigen, als es sich aus der Berücksichtigung weiterer Teilwertabschreibungen in Höhe von 468 999,80 € ergibt.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Steuerfestsetzung nach Maßgabe des Revisionsantrags (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Auffassung des FG ist bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer für das Streitjahr die von der Klägerin vorgenommene Teilwertabschreibung einkommensmindernd zu berücksichtigen.

1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002) vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) --im Folgenden: EStG 1997 n.F.-- sind nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens im Grundsatz mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Jedoch kann für solche Wirtschaftsgüter gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F. der Teilwert angesetzt werden, wenn dieser aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger ist.

a) Zwischen den Beteiligten unstreitig lag der Teilwert der in Rede stehenden Aktien, die die Klägerin ihrem Anlagevermögen zugeordnet hat, am Bilanzstichtag, dem 31. Dezember 2001, bei 22,70 € je Aktie und im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung bei 26 € je Aktie. Der Teilwert von börsennotierten Wertpapieren richtet sich grundsätzlich nach dem Börsenkurswert, wenn der Erwerb einer gleich hohen Beteiligung am Bewertungsstichtag zu diesem Wert möglich erscheint (Senatsurteil vom 7. November 1990 I R 116/86, BFHE 162, 552, BStBl II 1991, 342). Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Klägerin an den jeweiligen Stichtagen zu den Kurswerten die gleiche Anzahl von Infineon-Aktien hätte kaufen können. Da die Klägerin den höheren der beiden Werte angesetzt hat, kann offenbleiben, ob Kursveränderungen nach dem Bilanzstichtag als wertaufhellende oder als wertbeeinflussende Faktoren zu beurteilen sind (vgl. Schlotter, Teilwertabschreibung und Wertaufholung zwischen Steuerbilanz und Verfassungsrecht, 2005, S. 372; Loitz/Winnacker, Der Betrieb --DB-- 2000, 2229; Hommel/Berndt, Finanz-Rundschau --FR-- 2000, 1305, 1308; Engel-Ciric, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1996, 1298; Senatsurteil vom 30. Januar 2002 I R 68/00, BFHE 197, 530, BStBl II 2002, 688; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Oktober 2005 XI R 64/04, BFHE 211, 475, BStBl II 2006, 371).

b) Eine voraussichtlich dauernde Wertminderung liegt vor, wenn der Teilwert nachhaltig unter den maßgeblichen Buchwert gesunken ist (BTDrucks 14/443, S. 22; Cattelaens, DB 1999, 1185; Schneider, Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft --ZBB-- 121, 29; BFH-Urteil vom 9. September 1986 VIII R 20/85, BFH/NV 1987, 442). Von einem "nachhaltigen" Sinken des Teilwerts unter die Anschaffungskosten ist auszugehen, wenn aus der Sicht des Bilanzstichtags aufgrund objektiver Anzeichen ernstlich mit einem langfristigen Anhalten der Wertminderung gerechnet werden muss (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 25. Februar 2000, BStBl I 2000, 372 Rz 3 und 4; Fleischmann, Die Information über Steuer und Wirtschaft --Inf-- 2000, 356; Senatsurteil vom 27. November 1974 I R 123/73, BFHE 114, 415, BStBl II 1975, 294). Hierfür bedarf es einer an der Eigenart des Wirtschaftsgutes ausgerichteten Prognose (Senatsurteile in BFHE 114, 415, BStBl II 1975, 294; vom 14. März 2006 I R 22/05, BFHE 212, 526, BStBl II 2006, 680; BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 372 Rz 5; Kessler, DB 1999, 2577, 2579; Loitz/Winnacker, DB 2000, 2229).

Allein die Möglichkeit einer Wertsteigerung in der Zukunft, die bei nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens regelmäßig nie ausgeschlossen werden kann, steht einer Teilwertabschreibung nicht entgegen; andernfalls liefe § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F. leer. Ob eine Wertminderung voraussichtlich andauern wird, richtet sich vielmehr danach, ob aus Sicht des Bilanzstichtages mehr Gründe für ein Andauern der Wertminderung sprechen als dagegen. Welcher Prognosezeitraum hierbei zugrunde zu legen ist, kann nicht generell beantwortet werden, sondern richtet sich nach den prognostischen Möglichkeiten zum Bilanzstichtag, die je nach Art des Wirtschaftsgutes und des auslösenden Moments für die Wertminderung unterschiedlich sein können.

c) Die Meinungen darüber, wann bei börsennotierten Aktien von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung auszugehen ist, gehen auseinander. Während ein Teil der Literatur und die Finanzverwaltung bei Kursveränderungen börsennotierter Wertpapiere des Anlagevermögens regelmäßig nur vorübergehende Wertminderungen annehmen (BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 372 Rz 11; Schmidt/Glanegger, EStG, 26. Aufl., § 6 Rz 231; Fischer in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 6 Rz 108), stellen andere auf die Höhe der Differenz zwischen historischen Anschaffungskosten und aktuellem Börsenwert und/oder auf die Dauer der eingetretenen Wertminderung oder --wie hier das FG-- darauf ab, ob die Wertentwicklung der Aktien von der allgemeinen Kursentwicklung abweicht (Ellrott/St. Ring in Beck Bil-Komm. § 253 Rz 415; Fey/Mujkanovic, Die Wirtschaftsprüfung --WPg-- 2003, 212; Küting, DB 2005, 1121; weitere Nachweise im angefochtenen FG-Urteil). Es wird auch die Auffassung vertreten, von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung sei bei börsennotierten Aktien, die als Finanzanlage im Anlagevermögen gehalten werden, jedenfalls dann auszugehen, wenn der Teilwert zum Bilanzstichtag oder spätestens zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung unter seinen Buchwert gesunken ist und keine konkreten Anhaltspunkte für eine baldige Wertsteigerung vorliegen (z.B. MünchKomm HGB/Ballwieser, § 253 Rz 55; Winden/Herzogenrath, FR 2005, 878, sowie weitere Nachweise bei Küting, DB 2005, 1121 und im angefochtenen FG-Urteil).

d) Der zuletzt angeführten Auffassung folgt der Senat im Ergebnis. Ob der Wertverlust einer börsennotierten Aktie voraussichtlich dauerhaft ist, ist --wie ausgeführt-- nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nach den prognostischen Möglichkeiten aus der Sicht des Bilanzstichtags zu beurteilen. Die am Kapitalmarkt beteiligten Personen lassen die ihnen verfügbaren Informationen über eine Aktie zusammenfassend in ihre Angebote und damit in den jeweils festgestellten Börsenkurs einfließen. Der Börsenwert spiegelt damit die Auffassungen der Marktteilnehmer über den Wert einer Aktie als Kapitalanlage wider. Die Preise beinhalten die Einschätzung der künftigen Risiken und Erfolgsaussichten des Unternehmens und geben daher zu einem gegebenen Stichtag die Erwartungen einer großen Zahl von Marktteilnehmern über die zukünftige Entwicklung des Kurses sowie die Einschätzung wieder, dass der jetzt gefundene Kurs "voraussichtlich" dauerhaften Charakter besitzt (Schön in Kirchhof/ K. Schmidt/Schön/Vogel, Steuerrecht und Gesellschaftsrecht zwischen Unternehmerfreiheit und Gemeinwohl, 2006, Festschrift für Raupach, S. 299; Schlotter, Teilwertabschreibung und Wertaufholung zwischen Steuerbilanz und Verfassungsrecht, 2005, S. 370 ff., m.w.N.). Spiegelt aber der aktuelle Börsenkurs die Einschätzung der Marktteilnehmer über die künftige Entwicklung des Börsenkurses wider, kann vom Steuerpflichtigen nicht erwartet werden, dass er über bessere prognostische Fähigkeiten verfügt als der Markt (ebenso Hoffmann, Der GmbH-Steuerberater 2007, 30 f.; Schlotter, ebenda).

Dem steht nicht entgegen, dass börsennotierte Aktien ständigen Kursschwankungen unterliegen. Diese Veränderungen beruhen darauf, dass nach dem Stichtag weitere Ereignisse eintreten --sei es im betroffenen Unternehmen selbst oder in seinem ökonomischen Umfeld--, die zu einer abweichenden Werteinschätzung führen (Schön in Festschrift für Raupach, a.a.O., S. 299). Es kann daher zwar mit Sicherheit vorausgesagt werden, dass der Börsenkurs nicht an seinem zum jeweiligen Stichtag gefundenen Stand verharren wird. Offen ist aber, ob die weitere Entwicklung des Börsenkurses nach oben oder nach unten tendieren oder in der zuletzt erreichten Größenordnung bleiben wird. In Übereinstimmung mit der Einschätzung des Marktes ist in diesen Fällen --jedenfalls bei informationseffizienten Märkten-- davon auszugehen, dass der aktuelle Börsenwert eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweist, die künftige Kursentwicklung zu prognostizieren, als dies bei den historischen Anschaffungskosten der Wertpapiere der Fall ist. Da eine Prognose über die künftigen Kurse, soweit diese möglich ist, bereits in den Börsenkurswert eingeflossen ist, bedarf es im Streitfall einer Bestimmung des zugrunde zu legenden Prognosezeitraums nicht.

e) Es kann dahingestellt bleiben, ob –-wie das BMF meint-- dem Begriff der "voraussichtlich dauernden Wertminderung" in § 341b des Handelsgesetzbuches (HGB) ein anderes Regelungsverständnis zugrunde liegt. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F. verwendet zwar denselben Ausdruck; es handelt sich aber um eine steuerrechtliche Regelung, die losgelöst vom Handelsrecht auszulegen ist. Dies bedeutet, dass eine Auslegung zum einen darauf zielen muss, den Zuwachs oder den Verlust wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit periodengerecht zu erfassen (vgl. Senatsurteil in BFHE 212, 526, BStBl II 2006, 680). Sie hat zum andern auch zu berücksichtigen, dass das Steuerverfahren als Massenverfahren konzipiert ist. Eine Prüfung und Analyse im Einzelfall, z.B. anhand der Kriterien, die das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) für Versicherungsunternehmen aufgestellt hat (WPg 2002, 475), würde angesichts knapper Ressourcen sowohl die Finanzverwaltung als auch die steuerlichen Berater überfordern. Ob eine unstreitig eingetretene Minderung des Teilwerts eines Wirtschaftsgutes voraussichtlich langfristig andauert, ist daher anhand einfacher und leicht nachprüfbarer Kriterien zu beurteilen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Abschreibungen bei einem Anstieg des Teilwerts zu nachfolgenden Bilanzstichtagen rückgängig zu machen sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Nr. 1 Satz 4 EStG 1997 n.F.).

f) Ein abweichendes Ergebnis lässt sich schließlich nicht daraus ableiten, dass es sich bei der im Zuge des StEntlG 1999/2000/2002 eingeführten Abschreibungsrestriktion in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F. um eine Maßnahme zur sog. Gegenfinanzierung der zeitgleich abgesenkten Steuersätze handeln mag. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vertretenen Annahme des BMF stellt diese Zielrichtung aus rechtsmethodischer Sicht kein geeignetes Argument dar, um die Auslegungsmöglichkeiten von vornherein zu verengen und ein eingeschränktes Normverständnis zu rechtfertigen. Im Übrigen muss das Erfordernis der voraussichtlich dauernden Wertminderung in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F. ohnehin stets in der Zusammenschau mit der zugleich geschaffenen Teilwertzuschreibung nach Satz 3 der Vorschrift im Falle der Werterholung gesehen werden.

g) Daraus folgt, dass bei börsennotierten Aktien, die als Finanzanlage gehalten werden, von einer dauernden Wertminderung auszugehen ist, wenn der Kurswert zum Bilanzstichtag unter die Anschaffungskosten gesunken ist und zum Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz keine Anhaltspunkte für ein alsbaldiges Ansteigen des Kurses vorliegen.

Ob jedes Absinken des Kurswertes in der Bilanz nachvollzogen werden muss oder ob Wertveränderungen innerhalb einer gewissen Bandbreite aus Gründen der Verwaltungsökonomie und der Bilanzstetigkeit als nur vorübergehende Wertschwankungen zu beurteilen sind, kann offenbleiben. Denn hier war der Teilwert zum Bewertungsstichtag um fast 50 % und zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung um mehr als 40 % unter die Anschaffungskosten gesunken.

2. Das FG ist von anderen rechtlichen Grundsätzen ausgegangen. Sein Urteil ist daher aufzuheben und der Klage stattzugeben. Die Körperschaftsteuer ist unter Berücksichtigung einer Teilwertabschreibung von 468 999,80 € neu festzusetzen. Die Berechnung wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen.

Quelle: www.bundesfinanzhof.de